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Kinderverschickung – ein No-Go

Lasst uns nicht länger schweigen!

Von 1950 bis weit in die 80er Jahre hinein wurden in Deutschland Kinder massenhaft in sogenannte „Kinderkuren“ verschickt – wobei „Verschickung“ tatsächlich der gebräuchliche Begriff war. So als ob Kinder Postpakete wären. So ähnlich wurden wir auch behandelt. Ich musste z.B. alleine in den Zug steigen (mit 7 Jahren!) und irgendwann stieg eine „Tante“ dazu. Die erkannte mich am grüner Barmer-Rücksack und an dem „Zustellschein“ den ich um den Hals hängen hatte. Und in den 6 1/2 Wochen „Kur“ an der Ostsee war jeglicher Kontakt zur Familie untersagt. Die Post der Kinder wurde sortiert und oft gelesen. Heutzutage unvorstellbar.

Noch unvorstellbarer ist, was vielen von uns in diesen sogenannten „Kuren“ widerfahren ist. Wobei viele, die vor mir verschickt wurden, deutlich schlimmere Dinge erlebt haben als ich. Auch, wenn wir nicht direkt misshandelt wurden, waren die 6 1/2 Wochen an der Ostsee sehr schlimm für mich. Am Meer waren wir nur einmal – obwohl das Kurhaus direkt hinter den Dünen lag. Stattdessen mussten täglich wir stundenlang spazieren gehen. Das Personal schien nicht über pädagogische Kenntnisse zu verfügen oder falls doch, war das eine Pädagogik, die in den 80ern sicher schon längst nicht mehr zeitgemäß war.

Du warst auch in Kinderkur? Dann schau hin!

Denn wegschauen und wegducken bringt nichts.

Lange Zeit habe ich dieses Thema verdrängt. In den letzten Jahren kam es aber immer wieder hoch, so dass ich mich entschlossen habe, es bewusst anzuschauen. Und ich bin fündig geworden: seit 2024 bin ich Mitglied im Verein „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e.V.“ Und ich bin sehr dankbar, dass ich für den Verein auf ehrenamtlicher Basis Online Meditationen unterrichten darf.

Falls du Verschickung erlebt hast und nicht mehr schweigen möchtest oder falls du mehr über das Thema Kinderverschickung erfahren möchtest, empfehle ich dir folgende Quellen:

Die Website vom Verein

Und hier gibt es mehr Informationen zum Thema

Das Allerschlimmste für mich war, dass ich mit 12 Jahren ein zweites Mal verschickt wurde. Die Tatsache, dass irgendwie alle der Meinung waren, dass mir einen zweite „Kur“ guttun würde , bedeutete für mich, dass mit mir irgendwas nicht stimmen muss, wenn ich – trotz meiner Erzählungen über die erste Kur – einfach wieder weggeschickt werde. Der Mann von der Barmer hatte offensichtlich eine große Überzeugungskraft! Als meine Mutter mich im April 1986 zum Bahnhof fuhr, sprachen im Radio alle von einer großen Katastrophe, die in der Nacht passiert war. Super-GAU war das Wort der Stunde – und genau so habe ich mich gefühlt.

Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass diese Kur im Schwarzwald nur 3 Wochen dauerte, es wirklich kreative Angebot für die Kinder und Jugendlichen gab und hier sogar Freundschaften gefördert wurden. Tatsächlich habe ich diesem Aufenthalt in ganz guter Erinnerung.